Zitat

Die Ideen verhalten sich zu den Dingen wie die Sternbilder zu den Sternen...sie sind weder deren Begriffe noch deren Gesetze. (Walter Benjamin)

Portrait Dr. Rudolf Fischer
© Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Foto: Oliver Killig
Dr. Rudolf Fischer, Leiter Archiv der Avantgarden

Sammlungsgeschichte

Kunstwerke, Designobjekte, Möbel, Zeichnungen, Plakate, Architekturpläne - das Archiv der Avantgarden (AdA) verwahrt Materialien aus den unterschiedlichsten künstlerischen Strömungen der Avantgarden des 20. Jahrhunderts. Die Sammlung von rund 1,5 Millionen Objekten und Dokumenten ist in Umfang und Struktur weltweit einmalig. Basis des AdA ist die Schenkung der Sammlung von Egidio Marzona an die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden im Dezember 2016. Das AdA befindet sich derzeit in einem Interim im Japanischen Palais in Dresden. In wenigen Jahren soll die Sammlung im benachbarten Blockhaus ihren eigenen Standort beziehen. Forscher*innen und Interessierte sind schon jetzt eingeladen, das Archiv zu besuchen.

Marzona |

In den späten 1960er Jahren, als der Kunstbegriff neu definiert wurde, hatte der Deutsch-Italiener Marzona zu sammeln begonnen: Briefwechsel, Manuskripte, Manifeste, Fotografien, Broschüren und Kataloge, Einladungskarten, Künstlerschallplatten, Filme. Eine große Rolle spielte für ihn die zeitgenössische Kunst der Arte Povera und der Konzeptkunst, später widmete er sich auch der Architektur und dem Design der Avantgardemoderne, beispielsweise im Umfeld des Bauhauses. Marzona rezipierte die in den Avantgarden Anfang des 20. Jahrhunderts angestrebte Einheit von angewandter und bildender Kunst wie von Gesellschaft und Kunst.

Portrait Egidio Marzona
© Luc Saalfeld
Egidio Marzona

Marzona ||

Sein Archiv ist somit, bezogen auf ästhetische Werte und gesellschaftliche Standards, auch eine Sammlung von radikalen Utopien. Es umfasst medien- und gattungsübergreifend Kunstwerke und zugehöriges Kontextmaterial zu künstlerischen Prozessen und Ausstellungsaktivitäten, aber auch zu Literatur, Musik, Tanz, Theater, Film und Politik der Zeit. Diese ungewöhnliche Sammlung bietet in ihrer einzigartigen Dichte die ideale Grundlage zur Erforschung und Neubewertung der künstlerischen Avantgarden in ihren gesellschaftlichen Verflechtungen im 20. Jahrhundert. Es dokumentiert auch die Netze von Akteuren und Objekten und verbindet Produktion, Kritik und Rezeption im internationalen Feld der Avantgarden.

Egidio Marzona

Das AdA in Dresden

Das AdA in Dresden greift den internationalen und interdisziplinären Impuls der Sammlung auf und agiert als "offenes" Archiv, transparent und zugänglich, als Forum für Gespräche und Diskussionen. Es bietet Raum für die Begegnung mit Objekten und Dokumenten, aber auch Raum für Kommunikation. Es ist ein lebendiger Ort der sinnlichen Erfahrung.

Das Ada in Dresden

Das öffentliche Programm richtet sich insbesondere an die Besucher*innen in Dresden und Umgebung, mit Ausstellungen, Workshops, diskursiven Veranstaltungen wie Vorträgen, Lesungen, Diskussionsrunden und Gesprächsforen. Wissenschaftliche Forschung wird verständlich präsentiert, ausgewählte Archivobjekte werden in "Object Talks" öffentlich diskutiert.

© SKD, Foto: David Pinzer

Das AdA in Dresden |||

Künstler*innen präsentieren Ideen und Projekte und interagieren mit dem Publikum und mit dem Archiv. Es soll ein demokratischer Ort entstehen. Ziel ist es, das AdA als jungen, sich stets weiterentwickelnden Raum zu etablieren: Ein Ort der Visionen und Eindrücke, des Nachdenkens und Diskutierens. Ein Ort, an dem Avantgarden zu Hause sind.

© SKD, Foto: David Pinzer

Unsere Bestände

Inspiriert durch das Werk "Die Kunstismen" (1925) von Hans Arp und El Lissitzky strukturierte Egidio Marzona seine Sammlung gemäß den unterschiedlichen Kunstströmungen des 20. Jahrhunderts. Von den ersten Anfängen des Jugendstils bis hin zu den "Neuen Wilden" finden sich im Archiv der Avantgarden (AdA) zahlreiche Dokumente und Objekte, die einen vollständigen Querschnitt durch das Jahrhundert ermöglichen.

Die Sammlung beschränkt sich jedoch nicht nur auf die Bildende Kunst, Architektur und Design, sondern schließt auch weitere Gattungen wie Musik, Tanz, Theater, Film, Literatur, Fotografie, Politik und Philosophie ein. Für die Aufstellung seiner Sammlung war Marzona weiterhin beeinflusst von Aby Warburgs System der "guten Nachbarschaften" ("Serendipity").

Das AdA beherbergt darüber hinaus eine große Anzahl an Vor- und Nachlässen bedeutender und einflussreicher Künstler*innen und Kunstwissenschaftler*innen, von der hier nur eine kleine Auswahl genannt werden kann:

  • Hans Bolliger (Bibliothekar, Antiquar)
  • Francesco Conz (Sammler, Publizist)
  • Thomas Deecke (Kunsthistoriker)
  • Hans Eckstein (Publizist, Designtheoretiker)
  • Birgit und Wilhelm Hein (Filmregisseure)
  • Elisabeth Jappe (Kunstkritikerin, Kunstwissenschaftlerin)
  • Diethart Kerbs (Kunstpädagoge, Kultur- und Fotohistoriker)
  • Martin Rosz (Künstler)
  • John Weber (Galerist)
  • Herta Wescher (Kunsthistorikerin, Journalistin)

Impressionen

Unsere Bestände II

 Die insgesamt rund 1,5 Mio. Dokumente und Objekte setzen sich wie folgt zusammen:

  • Mehrere Tausend Plakate
  • Mehrere Tausend Monografien und Zeitschriften (Quellen und Sekundärliteratur)
  • Mehrere Tausend Aktenordner (Inhalt: Briefe, Manuskripte, Entwurfsskizzen, Pläne, Kataloge, Einladungskarten, etc.)
  • Mehrere Tausend Kunstwerke, Grafiken und Designobjekte
  • Fotografien
  • Audiovisuelles Material
  • Architekturmodelle und -pläne

Blockhaus

Hinter der Bezeichnung "Blockhaus" verbirgt sich in Dresden der imposante Bau der ehemaligen Neustädter Wache. Das Gebäude wurde ab 1732 am nördlichen Ufer der Elbe, an der Westseite des Brückenkopfes der Augustusbrücke nach Plänen des französischen Architekten Zacharias Longuelune errichtet. 1749-1755 wurde unter Johann Christoph Knöffel oder J. G. M. von Fürstenhof das Gebäude mit einem Mezzaningeschoss und einem neuen Dach aufgestockt und in der Folge nicht nur als Wache, sondern auch zu Wohn- und Verwaltungszwecken genutzt. 1892 erhielt das in Sandsteinverkleidung ausgeführte Blockhaus ein weiteres Geschoss; Umbau und Ausbau erfolgte durch die Dresdner Architekten Ernst Sommerschuh und Gustav Rumpel. Im Zweiten Weltkrieg brannte das Blockhaus vollständig aus und blieb 35 Jahre lang eine Ruine. In den Jahren 1978-1982 baute man das Blockhaus als "Haus der Deutsch-Sowjetischen Freundschaft" mit Festsaal, Klubsaal und öffentlicher Gaststätte wieder auf und setzte es in den Außenfassaden in seinen ursprünglichen Zustand vor 1892 zurück. Nach der Wende wurde das Blockhaus 1994 vom Bund an den Freistaat Sachsen veräußert, der es für Veranstaltungen der Landesregierung nutzte, zudem hatten darin die Sächsische Akademie der Künste, die Außenstelle Dresden der Sächsischen Akademie der Wissenschaften und die Sächsische Landesstiftung Natur und Umwelt ihren Sitz. Im Sommer 2013 wurde das Gebäude massiv durch Hochwasser geschädigt und daraufhin stillgelegt.

Blockhaus

Die Entscheidung, das Blockhaus als neues Domizil für das Archiv der Avantgarden (AdA) zu nutzen, erfolgte anlässlich der Schenkung Egidio Marzonas an die SKD. Das Blockhaus befindet sich in unmittelbarer Nähe, nur durch die Elbe getrennt, zu Residenzschloss, Zwinger und Albertinum in der Altstadt und in direkter Nachbarschaft zum Japanischen Palais und Jägerhof auf der Neustädter Seite. Am 31. Januar 2018 wurden die Preisträger des Architekturwettbewerbes zum Umbau des Blockhauses in Dresden zum AdA bekanntgegeben. Insgesamt hatten sich 103 Bewerber aus mehreren europäischen Ländern für diese Planungsaufgabe beworben, elf zusätzliche Teilnehmer waren gesetzt.

Visualisierung Innenraumperspektive Archiv der Avantgarden Dresden | Entwurf des Büros Nieto Sobejano Arquitectos, Berlin

Blockhaus

Im Rahmen eines Auswahlverfahrens wurden schließlich 35 Büros zur Teilnahme eingeladen; 28 Arbeiten wurden eingereicht. Die Jury unter dem Vorsitz des Stuttgarter Architekten Prof. Arno Lederer kürte den Entwurf des Büros Nieto Sobejano Arquitectos, Berlin auf Platz 1. Das Preisgericht charakterisiert den Siegerentwurf unter anderem wie folgt: "Die feine Provokation und das Gedankenspiel, das der Institutionsname impliziert, wird in diesem Projekt als Ausgangspunkt verstanden. Ein massiver Betonkörper, schwebend im leergeräumten bestehenden Blockhaus, bildet das Kernstück des Archives, einen verborgenen Schatz, als unvermeidliche Präsenz der Vergangenheit."

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