Oral History zum Archiv der Avantgarden — Egidio Marzona (ADA)

WIR SIND AVANTGARDE! ist ein Dokumentations- und Forschungsprojekt zu Geschichte und Bedeutung des Archivs der Avantgarden — Egidio Marzona (ADA). Die seit 2020 entstehenden Filme dokumentieren Gespräche über die Praxis und Motivation des Sammelns, über Konzeption und Inhalte des ADA sowie über darin vertretene künstlerische Ansätze und Strategien und ihre gesellschaftlichen Kontexte. Aus den gesammelten Filmgesprächen entsteht nach und nach ein eigenes „Archiv zum Archiv“.

Bild

Oral-History-Projekt

Eine Sammlung wie das Archiv der Avantgarden (ADA) von Egidio Marzona mit über 1,5 Millionen Objekten entsteht nicht im Alleingang, sondern konnte nur realisiert werden im Verbund mit Wegbegleiterinnen und Wegbegleitern in aller Welt. WIR SIND AVANTGARDE! geht diesem Netzwerk nach, indem es Beteiligte zu Filmgesprächen einlädt: Galeristinnen und Galeristen, über die der Sammler Archive erwarb, Künstlerinnen und Künstler, deren Werke er in seinen Bestand aufnahm, andere Sammlerinnen und Sammlern, Nachfahren, die ihm Nachlässe anvertrauten, und zahlreiche andere Personen seines weltumspannenden Netzwerks. In ihrem persönlichen bzw. professionellen Umfeld sprechen die Protagonistinnen und Protagonisten über das ADA, über (ihre) künstlerische Arbeit, über Kunstströmungen und ihre Visionen, über Akteure der Kunstwelt oder über Zugänge zur Kunst. Dabei thematisieren sie individuelle Erfahrungen und Perspektiven ebenso wie umfassende Reflexionen oder auch Emotionen.

Das nach und nach entstehende Archiv WIR SIND AVANTGARDE! dokumentiert damit ein Gewebe aus sowohl individuell-biografischen wie gesellschaftlich-politischen Diskursen und künstlerischen Reflexionen und ergänzt das ADA zu einem vielschichtigen Bild der Avantgarden des 20. Jahrhunderts. WIR SIND AVANTGARDE! – der Titel charakterisiert die Sprechenden ebenso wie dieses Projekt der Annäherung an ein einzigartiges Archiv.

Video

Datenschutzhinweis

Wenn Sie unsere YouTube- oder Vimeo-Videos abspielen, werden Informationen über Ihre Nutzung von YouTube bzw. Vimeo an den Betreiber in den USA übertragen und unter Umständen gespeichert. Zudem werden externe Medien wie Videos oder Schriften geladen und in Ihrem Browser gespeichert.

Oral History zum Archiv der Avantgarden — Egidio Marzona (ADA)

Das Oral-History-Archiv nutzen!

Besucherinnen und Besucher der Sammlung – im Blockhaus oder online – lernen in den Filmgesprächen Menschen kennen, die für das Archiv der Avantgarden (ADA) von besonderer Bedeutung waren. 

Das Oral-History-Archiv nutzen!

Sie erfahren Hintergründe zu speziellen Objekten oder einzelnen Konvoluten in der Sammlung, zu übergreifenden kunsthistorischen Fragen wie auch zum ADA selbst. Die Filme und deren Transkriptionen sind in der Online Collection der SKD vielfach mit besprochenen Objekten oder Personen verknüpft – wie auch mit weiteren Filmen, die sich verwandten Themen zuwenden. Die Transkriptionen liegen jeweils in deutscher und englischer Sprache vor. Sie sind umsichtig lektoriert, verschlagwortet und mit DOI-Link versehen für die Zitation. 

Nutzerinnen und Nutzer sind eingeladen, sich durch die Filmgespräche zu immer neuen Blicken in das ADA wie auf die Avantgarden des 20. Jahrhunderts – und ihre Bedeutung für heute – (ver)führen zu lassen!

zwei Personen in einem Garten vor einer Kamera
© 2024 Konzept- und Gesamtprojektleitung
Dreharbeiten mit Angela Thomas Schmid und Egidio Marzona, Haus Bill, Zumikon, 13.7.2023

WIR SIND AVANTGARDE!

WIR SIND AVANTGARDE! fängt das Wissen und die Überlegungen von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen als wichtige Quellen zum ADA und seinen Inhalten ein – angesichts des fortgeschrittenen Alters vieler Protagonistinnen und Protagonisten eine Aufgabe, die keinen Aufschub duldete. So dokumentiert das Projekt die zugleich höchst persönlichen und historisch-gesellschaftlich charakteristischen Sichtweisen und Wissensbestände von Galeristinnen und Galeristen, Künstlerinnen und Künstlern, Sammlerinnen und Sammlern, Nachlassverwaltenden sowie zahlreichen anderen Personen des weltumspannenden Netzwerks des Sammlers. 

Nutzungsbedingungen

Für die Nutzung des Oral-History-Archivs WIR SIND AVANTGARDE! des Archivs der Avantgarden – Egidio Marzona der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden gelten folgende Nutzungsbedingungen.

Die Protagonistinnen und Protagonisten

Ein Netzwerk aus Gedanken, Visionen, Diskursen, Utopien

Einblicke Slider

Link zu Protagonistinnen und Protagonisten

Liste der Protagonistinnen und Protagonisten

Das Archiv zum Archiv

Das Archiv WIR SIND AVANTGARDE! ist in sechs konzentrisch angelegte Themenbereiche gegliedert, die Zugänge zum ADA und dessen Bedeutung eröffnen und damit auch das Bild der Avantgarden des 20. Jahrhunderts ergänzen. Der Struktur der miteinander verbundenen Themenbereiche liegt eine Wachstumsdynamik zugrunde: Ausgehend von der Person des Sammlers Egidio Marzona und seinem Konzept für das von ihm begründete Archiv der Avantgarden (Manifest Marzona) widmen sich die Gespräche den Inspirationsquellen (Atlas Marzona), dem praktischen Vorgehen (Praxis Marzona), der Vorgeschichte des Projektes (Archäologie der Sammlung) sowie den zahlreichen daran beteiligten Personen (Netzwerk Marzona), um schließlich den Kontext der Zeit in Gesprächen über kunsthistorische und politisch-soziologische Themen zu reflektieren (Das Archiv der Avantgarden im erweiterten Feld). 

Themenbereiche

Der Titel leitet sich von den vielen schriftlichen Manifesten ab, die seit Anfang des 20. Jahrhunderts von avantgardistischen Künstlergruppen verfasst wurden und die sich auch im Archiv der Avantgarden (ADA) befinden: Sie formulieren Statements und erklären Ziele und Absichten. 

Manifest Marzona ist eine Art Vermächtnis des Stifters Egidio Marzona in Form eines Statements zu seinem Konzept des Archivs. Der Sammler spricht über seine persönliche Geschichte und seine ersten Begegnungen mit Kunst, über die Entwicklung seiner Sammlung sowie über seine Ideen und Visionen für die Präsentation des Archivs als neuartige Museums- und Forschungsinstitution. Themen sind zudem seine weiteren Projekte wie der Prato d´Arte in Verzegnis in Italien, seine Kunstsammlung der 1960er Jahre in den Staatlichen Kunstsammlungen zu Berlin sowie sein Verlag Edition Marzona, in dem er u. a. Publikationen zum Bauhaus herausbrachte, die inzwischen zu Standardwerken geworden sind. 

Der Sammler wird in verschiedenen Situationen mit der Kamera begleitet: im ADA, zu Hause und auf Reisen. 

Der Titel ist eine Anspielung auf den berühmten Mnemosyne-Atlas von Aby M. Warburg. Die Gespräche im Atlas Marzona widmen sich Personen, Büchern und anderen Artefakten, die einen entscheidenden Einfluss auf Egidio Marzona und sein Konzept des Archivs der Avantgarden (ADA) hatten. Kennzeichnend für das ADA ist es, dass diese Inspirationen nicht nur aus der visuellen Kunst, sondern aus verschiedenen kulturellen Bereichen, wie Philosophie, Architektur, Design oder Literatur, stammen. Schlüsselpositionen im Atlas Marzona nehmen beispielsweise Hans Arps und El Lissitzkys Buch Die Kunstismen ein, Künstler wie Marcel Duchamp, Carl Andre oder Paul Scheerbart sowie Freunde und Vorbilder wie Konrad Fischer oder Heinz Rasch mit ihren breit gefächerten Arbeits- und Wirkweisen. 

Diese Säulen des Archivs bilden zusammen einen Atlas  – eine Art individueller Interpretation der Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts durch den Sammler Marzona. Für Besucherinnen und Besucher bilden die Filme das Angebot eines Orientierungssystems innerhalb des ADA. Von diesem Kern aus erweitert sich die Struktur des Archivs zu einer Auffächerung von Kunstismen des 20. Jahrhunderts. 

Die Filme machen nachvollziehbar, wie das Archiv der Avantgarden (ADA) in der Praxis entstanden ist. Sie handeln von Aspekten der Methodik und Systematik der Sammlung, beinhalten Fragen zur Dokumentation der Bildpraxis und stellen praktische Entscheidungen beim Aufbau der Sammlung und den Netzwerken vor. 

Die vordergründig marginalen Aufnahmen dokumentieren die Arbeit des Stifters, das Tagesgeschäft und das Leben des Archivs: Reisen, Bücherschlepperei, Eintüten oder das Einordnen in die schwarzen Ordner. Die Filme zeichnen u. a. nach, wie der Sammler weltweit seine Quellen aufgespürt hat, wie er das umfangreiche Material sortiert und systematisiert oder wie er seine eigene Bibliothek gliedert. Hinter der scheinbaren Banalität des täglichen Lebens werden dabei grundlegende konzeptionelle Ansätze wie auch (kunst)historische Konstellationen erkennbar.

Das Archiv der Avantgarden (ADA) besteht aus ganzen Sammlungen und Nachlässen, die Egidio Marzona über vier Jahrzehnte von Künstlerinnen und Künstlern, Forschenden, Galeristen und Galeristinnen oder Sammlerinnen und Sammlern erworben hat. Viele Akteure, die zum heutigen ADA beigetragen haben, sind inzwischen verstorben oder können aus verschiedenen Gründen nicht befragt werden. In dieser Archäologie der Sammlung werden die wenigen, oft fragmentarischen und zerstreuten Spuren aus der Vergangenheit, die noch zur Verfügung stehen, zusammengetragen. 

Egidio Marzona rekonstruiert in zahlreichen Gesprächen die Geschichte einzelner Konvolute, etwa von der John Weber Gallery, von Klaus Falkenstein, Hans Bolliger, Pierre Restany, Hertha Wescher oder Tommaso Trini. Dabei geht es um grundlegende Fragen: Wie kam es dazu, dass er die Bestände erwarb? Was hat ihn mit der Person verbunden? Welche Bedeutung hat das Konvolut historisch sowie im Kontext des ADA? Wie verlief der Erwerb? Die Gespräche liefern neben dem Porträt bedeutender Persönlichkeiten der Kunst(geschichte) des 20. Jahrhunderts zugleich wertvolle Hinweise für die zukünftige Quellenarbeit und Provenienzforschung. 

Egidio Marzona spricht über oder mit bedeutenden Protagonist:innen der Kunstwelt: seinen Wegbegleitern, Menschen, die ihn inspiriert haben, Personen, die ähnliche Leidenschaften teilen. Von vielen von ihnen erwarb er einzelne Objekte oder ganze Konvolute und sie können im Gespräch deren vielfältige Hintergründe erläutern. Ob sie selbst die jeweilige Sammlung aufgebaut haben oder ob sie als Nachlassverwaltende fungieren – es ist ihnen in der Regel auch ein Anliegen, die Zukunft ihrer Bestände im Archiv der Avantgarden (ADA) zu reflektieren und damit ihre Visionen für dieses Archiv beizutragen. Auch der Prozess der zweifachen Transformation der Sammlung wird in den Gesprächen verfolgt: der Übergang von den jeweiligen Inhaber:innen zum Sammler und dann weiter zur neuen Institution ADA.

Im Netzwerk Marzona werden vorzugsweise Zwiegespräche zwischen dem Sammler und den Protagonistinnen und Protagonisten geführt. Um zugleich die Orte des Geschehens zu dokumentieren, finden die Gespräche nach Möglichkeit dort statt, wo sich das Material befindet bzw. sich ursprünglich befand, etwa im Haus der jeweiligen Sammelnden, im Haus Marzona in Berlin oder im ADA.

Die Sammlung Marzona in Berlin und das ADA in Dresden gehen zurück auf die 1960er, 1970er und 1980er Jahre, als Egidio Marzona sein Netzwerk von Künstlerinnen und Künstlern, Kunsthändlerinnen und Kunsthändlern sowie Sammlerinnen und Sammlern aufbaute und dabei selbst zu einem einflussreichen Protagonisten der damaligen Kunstszene wurde. 

Wichtige Zeitzeuginnen und -zeugen sprechen mit dem Sammler über den Zeitgeist, historische Ereignisse, gesellschaftliche und politische Hintergründe und Stimmungen wie Sehnsüchte, Träume und Vorbilder der Generation, insbesondere der 1968er. So dokumentieren die Gespräche einen breiten Kontext zu einer bedeutenden historischen Umbruchphase. 

Der Titel ist eine Anspielung auf einen der wichtigsten Essays von Rosalind Krauss: Mit „Sculpture in the Expanding Field“ von 1979 entwickelte die Theoretikerin und Kritikerin angesichts grundlegend neuartiger künstlerischer Werke der Zeit einen neuen Begriff von Skulptur, der unter anderem deren komplexe Formen der Reflexion ihrer räumlichen und sozialen, politischen und historischen Umgebung aufgreift. Das Wortspiel verweist damit auf die Umwälzungen jener Zeit und ihrer Kunst wie auf den revolutionären Charakter des Archivs. 

Die Interviews

Vorgehensweise und Methodik

Um das Wissen und die Perspektiven der Protagonistinnen und Protagonisten zu erkunden, nutzt WIR SIND AVANTGARDE! Methoden der Oral History, bezieht aber auch Frageformen des klassischen Interviews ein. 

Inhalt und Form der Gespräche sind so unterschiedlich wie ihre Protagonistinnen und Protagonisten sowie die Gelegenheiten: Teils fängt die Kamera relativ spontane monologische Erzählungen oder Dialoge zwischen mehreren Sprechenden ein, teils sind die Filme erkennbar strukturiert durch vorbereitete Fragen sowie durch ein umsichtig geplantes Setting. Manche Gespräche ergeben sich beispielsweise vor einem künstlerischen Objekt, im Zwiegespräch oder bei der Übergabe einer Sammlung. Die Fragenden nehmen sich bewusst zurück und an der Stelle der mündlich gestellten Frage steht in den Videos des Archivs eine Fragetafel. 

In der Postproduktion werden die Filme geschnitten, um den Nutzerinnen und Nutzern eine verdichtete, auf eine überschaubare Länge gebrachte Version des Gesprächs anzubieten. Parallel zu den Videos stehen den Nutzenden zitierbare Transkriptionen der Gespräche in deutscher und auch in englischer Sprache zur Verfügung.

Team

Konzept und Gesamtprojektleitung / Concept and overall project lead: Monika Branicka, Dr. Pirkko Rathgeber

Produktionsleitung / Production management: René Biermann – adhoc film Dresden
Kamera / Camera: Martin Bochmann, René Dohme, Felix Greif
Ton / Sound: Simon Hückstädt, Uwe Laux, Lutz Leischke, Felix Schlechte
Schnitt / Editing: Igor Mariniuk, Alexander Wolter

Transkription / Transcription: Andrea Notroff
Lektorat / Copy editing: Dr. Dagmar Deuring
Übersetzung Englisch / Translation English: Daryl Lindsey, Charles Hawley – Dacha Media

Grafik / Graphics: Helen Stelthove
Animation / Animation: Aljoscha Höhborn
Sound Design / Sound design: Giovanni Dubini

Daphne Erfassung / Daphne Documentation: Katrin Bielmeier 

Dank

Unser herzlicher Dank geht zuallererst an Egidio Marzona für seine inspirierende wie wohlwollende und überaus großzügige Unterstützung, die die umfangreichen Recherchen und Vorbereitungen für das Oral-History-Projekt WIR SIND AVANTGARDE! überhaupt erst ermöglicht haben. Durch sein geduldiges, über drei Jahre andauerndes Teilen seines vielseitigen Wissens und seiner vertrauensvollen Kontakte konnte das Projekt – von der Idee bis zur Realisierung – umgesetzt werden.

Ebenso gilt unser großer Dank allen Protagonistinnen und Protagonisten, die sich bereiterklärt haben, vor der Kamera ihr Wissen und ihre Perspektiven mit dem Projektteam und den Nutzerinnen und Nutzern zu teilen.

Gedankt sei auch unserem Produktions- und Filmteam für die vertrauensvolle und zuverlässige Zusammenarbeit, unserem Redaktionsteam für die präzise Arbeit, und nicht zuletzt den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. Darüber hinaus geht unser Dank an alle, die das Projekt unterstützt haben.

Monika Branicka und Dr. Pirkko Rathgeber

Zitation und Copyright

WIR SIND AVANTGARDE! Ein Oral-History-Archiv des Archivs der Avantgarden – Egidio Marzona (ADA), Staatliche Kunstsammlungen Dresden. Von Monika Branicka und Pirkko Rathgeber, 2024, DOI: 10.58749/skd.ada.2024.ohp, Abruf über www.doi.org/10.58749/skd.ada.2024.ohp 

Projektträger

Staatliche Kunstsammlungen Dresden / Archiv der Avantgarden – Egidio Marzona: 
Dr. Rudolf Fischer, Leitung ADA; Friederike Fast, Wiss. Mitarbeiterin ADA / Kuratorin; ada(at)skd.museum

Zum Seitenanfang